|
Anna und die etwas andere Ameise 2025 |
|
| Autoren: Text Alice Laciny, Bilder Natalia Weiss | |
| Verlag Edition Apostroph 2025 | |
|
ISBN 3950576517, 9783950576511
Anna lernt sehr gerne, mag gestreifte Socken und liebt es, Insekten zu beobachten. Doch mit anderen Kindern, grellem Licht, lauten Geräuschen und großem Durcheinander hat sie es nicht so leicht. Anna ist nämlich Autistin. In diesem Buch erzählen wir von intensiven Interessen, empfindsamen Sinnen, der Schwierigkeit, Freunde zu finden, und der Begeisterung, wenn man auf Gleichgesinnte trifft. So möchten wir Kindern auf dem autistischen Spektrum zeigen, dass sie nicht alleine sind, und dass ihr „anders sein“ auch richtig toll sein kann! |
Anna und die etwas andere Ameise
Sommersprossen, Ringelsocken
Ja wen seh‘n wir denn da hocken?
Halb verdeckt von Gras und Stein
Sitzt die Anna, ganz allein.
Nah am Boden lauert sie
Auf manch tolles Krabbelvieh.
In Straßen laufen hin und her
Die Ameisen – das freut sie sehr!
Ihr Panzer glänzt im Sonnenschein
Beim Staunen wird die Welt ganz klein
Doch mitten in der Krabbelei
Tanzt eine Dame aus der Reih‘!
Die andern gehen brav einher,
Tragen ihre Lasten schwer.
Die eine aber, frech und klein,
Rennt umher und sucht allein.
Fühler finden neues Futter
Für die Schwestern, Larven, Mutter.
Sie ist anders, das ist richtig:
Anders sein ist manchmal wichtig!
Morgen fängt die Schule an.
Rechnen, lesen, schreiben kann
Man lernen an solch einem Ort
Doch sind auch and‘re Kinder dort…
Als Anna in die Schule muss
Gibt Mama ihr noch einen Kuss
Und mit roter Schnur als Zier
Ein schwarzes Ameis-Perlentier.
„Ist es mal zu viel Getöse,
Wirst du ängstlich, zapplig, böse,
Spür die Perlen in der Hand
Dann bist du wieder ganz entspannt!“
Die Lehrerin ist ziemlich nett, schreibt Zahlen auf ein schwarzes Brett. Doch aus der letzten Reihe dringt
Ein Flüstern, das nicht freundlich klingt.
„Sommersprossen, Ringelsocken,
und dann diese wilden Locken!“
Tuscheln Kinder rings umher.
Anna-Sein ist manchmal schwer.
Anna kann nicht länger hocken
Zupft an ihren roten Locken,
Dreht an ihrem Perlentier.
„Ich bin anders, nicht wie ihr.“
Der Pausenhof ist groß und hell,
die Kinder laut, die Sonne grell.
Bei Springseil, Ball und Ringelspiel
Wird Anna alles bald zu viel.
Mama sagt bei solchen Dingen:
„Wenn's zu viel ist hilft kein Zwingen.
Manchmal laut und manchmal leise,
Jeder spielt auf seine Weise.“
Dann in einer ruhigen Ecke
Findet Anna eine Hecke.
Fern von lautem Kinderlachen
Wohnen hier ganz tolle Sachen!
Wanzen krabbeln, Vögel singen,
Wollen Regenwürmer bringen.
Anna ist ganz fasziniert…
Huch, wer steht denn da und stiert?
„Das ist meine Hecke hier,
Darin kenn ich jedes Tier!
Denn ich bin der Karli Schäfer
Und das ist mein liebster Käfer!“
Karli aus der zweiten Klasse
Wohnt in Annas Nebengasse.
Hat sich heute hier versteckt
Weil man ihn mal wieder neckt.
Groß ist er und rund gebaut,
Meistens schüchtern, niemals laut.
Fußballspielen fällt ihm schwer,
Tiere mag er umso mehr.
„Darf ich deinen Käfer sehen,
oder soll ich wieder gehen?“
Da zeigt er mit großem Stolz
Auf das Tier im Heckenholz.
Von der Sonne ganz erhellt
Eine bunte Flügelwelt:
Rot und grün und gold und blau
Strahlt der Käfer wie ein Pfau!
„Ja ganz ehrlich, Karli Schäfer,
wirklich ein sehr schöner Käfer.
Willst du später zu mir geh‘n?
Die Ameisen, die musst du seh‘n!“
Schrill schreit schon die Pausenglocke.
Da kommt Anna Ringelsocke
Aus den Büschen angerannt,
Mit dem Karli an der Hand.
Den beiden sind mit einem Mal
Die Tuschelkinder ganz egal.
Sie sind anders, das ist richtig:
Doch anders sein ist manchmal wichtig!